Führungsbullshit 7/7: “In meinem Team sollten alle Freunde sein”

Man hört sie immer wieder: Aussagen von Führungskräften, die aus einer anderen Zeit zu sein scheinen. Und mit denen sie sich bei ihren Mitarbeitern selbst disqualifizieren. Heute:

“In meinem Team sollten alle Freunde sein”

H. Armonie, Teamleiterin

Ich persönlich wurde in einer Zeit sozialisiert, in der Agenturen der radikale Gegenentwurf zur sehr distanzierten Unternehmenskulturen der Industrie waren. Während bei Kunden die Chefs fast noch in der dritten Person von sich sprachen und sich natürlich von ihren (Mit)Arbeitenden mit allen Titeln siezen ließen, wurde in den Agenturen nicht nur eng 24/7 miteinander gearbeitet, sondern auch mindestens wöchentlich noch enger gefeiert. Daraus sind viel mehr als nur Freundschaften entstanden, nämlich Partnerschaften, Ehen und Kinder. Auch meine eigene(n).

Zwei Jahrzehnte später wird auch in vielen Banken, Versicherungen und sogar in Behörden zumindest geduzt. Organisierte Teambuilding-Aktivitäten sollen Nähe ermöglichen und fördern. Bei einigen GAFA´s ist die Grenze vom Freund zum/zur „Bruder/Schwester“ und damit zur “Glaubensfamilie” sogar bereits überschritten worden. In manchen dieser starken “Intersubjektiven Realitäten” (Harari), wird die Beziehungsebene sogar weit über die Sachebene gestellt. Der wirtschaftliche Erfolg macht es möglich.

Den Gegenpol dazu bilden heute nur noch Parteien, wie mir einmal ein Politiker erklärte. Dort definiert man das so: Es gibt Familie, Freunde, Bekannte, Feinde, Todfeinde und Parteifreunde.

Vor diesem Hintergrund begegnet mir als Coach immer öfter die Frage, ob man mit seinem Team befreundet sein sollte oder zumindest die Teammitglieder unter sich. Und ob man das fördern oder sogar erwarten sollte.

Im folgenden ein paar Gedanken und Erfahrungen, die ich mit euch im letzten Beitrag der „Bullshit“-Reihe teilen möchte.

Ocean Eleven Performance

Hochleistungsteams sind in der Regel sehr inhomogen. Durch die Unterschiedlichkeit der Mitglieder wird das Leistungsspektrum des Teams maximiert. Sympathie und in der Folge Freundschaft basieren in der Regel auf Ähnlichkeiten. Demnach würde “Freundschaft” in der Logik des Hochleistungsteams der Performance eher schaden.

Innere Konflikte, Ausgrenzung und Konfliktversagen

Bei Freundschaften im Job entstehen nicht selten innere und äußere Spannungen, die gleichzeitig kaum transparent kommuniziert werden (können). Unter Freunden geht man in der Regel weniger kritisch, viel geduldiger, harmonischer, vorsichtiger, indirekter und auch selbstloser miteinander um. Bestehende Konflikte werden häufig erst (zu) spät thematisiert. Man möchte die gute Freundschaft damit nicht belasten. Die anderen im Team sehen das natürlich, fühlen sich dadurch oft ausgegrenzt, benachteiligt oder ungleich behandelt. Alles Gift für die Teamleistung und Teamstimmung.

Loose Loose Falle

Stell Dir mal die folgende Frage: Ein enge Freundin ist bei Dir im Team und erfüllt die Anforderungen dauerhaft nicht. Der Profi in Dir sagt: “Da muss Du jetzt handeln”. Die Freundin in Dir sagt:” Das kannst Du nicht machen, das belastet bestimmt die Freundschaft”. Wie fühlst Du Dich? Was machst Du?

Die Betroffene spürt das natürlich, auch wenn Du es nicht thematisiert. Allein das belastet schon sowohl die berufliche als auch die persönliche Beziehung zwischen euch. Eine echte Loose-Loose-Situation. Eventuell hast Du bald sowohl eine Mitarbeiterin als auch eine Freundin weniger.

Konfliktkultur wichtiger als „Freundschaft“

Als moderne Führungskraft solltest Du den ganzen Menschen in Deinen Team willkommen heissen und integrieren. Nicht nur den Teil, der den „Business Kasper“ spielt. Das schafft den Raum, in dem Nähe und Offenheit entstehen kann und sich nicht nur Kollegen und Kolleginnen gut kennenlernen, sondern auch die Menschen dahinter. Freundschaften solltest Du nicht erwarten oder bewusst fördern. Sie entstehen sowie ganz unabhängig von Dir und ganz von alleine – oder eben auch nicht. Viel wichtiger ist es, eine professionelle Konfliktkultur im Team zu etablieren und zu pflegen, die in der Lage ist, neben sachlichen Konflikten auch emotionale Dissonanzen auf der Beziehungsebene zu bewältigen.

Wenn’s schon passiert ist…

Wenn Du selbst mit einem Teammitglied eng befreundet (oder mehr) bist oder echte Buddies in Deinem Team hast, empfehle ich Dir folgendes: Offen thematisieren, Herausforderungen klarmachen, Konfliktregeln definieren.

Auf lange Sicht sind im Leben echte Freundschaften wichtiger als berufliche Beziehungen. Daher solltest Du sie nicht durch mögliche berufliche Konflikte belasten. Eine „konstruktive berufliche Trennung“ kann oft der bessere Weg für eine lange Freundschaft sein.


Im Feld des professionellen Coachings gibt es übrigens eine ganz klare Regel dazu. Sobald Du als Coach in einer sozialen oder emotionalen Abhängigkeit zu Deinem Coachee stehst, bist Du als Coach wertlos und musst die berufliche Zusammenarbeit beenden. Du hast dann zwar einen Kunden verloren, aber einen neuen Freund gewonnen!

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